Wenn jemand so sehr der Musik verbunden ist, dass er kaum an etwas Anderes denken kann, die Musik quasi Tag und Nacht in ihm klingt, dann ist es nachvollziehbar, dass man sich auch beruflich mit Musik befassen möchte. Aber der Weg zum Berufsmusiker ist nicht immer leicht und kann einige Hürden bereit halten, weshalb Durchhaltevermögen ebenso wichtig ist wie die Leidenschaft.
Um mehr über das Leben eines Berufsmusikers zu erfahren, haben wir mit dem 1962 geborenen Christian Fotsch von der Formation Ssassa gesprochen, der seit 2004 in Mellingen lebt. Als Sohn einer Pianistin ist er mit Musik aufgewachsen und hat schon sehr früh seine erste Band gegründet. Bereits während dem Studium hat er privat Gitarrenunterricht gegeben. Ihm ist bewusst, wieviel Glück er hat, dass er seit seinem 20. Lebensjahr professionell Musik machen darf. Er kann sich keinen besseren Beruf vorstellen und freut sich über jedes einzelne Konzert. Seine Liebe zur Musik und zu seinem Beruf ist so stark, dass er bewusst keine Pensionskasse aufbaut, weil er bis ins hohe Alter seinen Beruf ausüben möchte.
Seinen ursprünglichen Beruf als Primarlehrer hat er bis 2014 nur sporadisch ausgeübt und jede freie Minute dafür verwendet, musikalische Projekte wie CDs zu produzieren und Tourneen aufzubauen. Abgesehen von Instrumentalunterricht und Gesangsstunden ist er ein Selfmade-Musiker. Flamencogitarre hat er in Zürich und Sevilla gelernt, weitere Instrumente wie Oud und Bouzouki autodidaktisch. 2014 hatte er dann sein Ziel erreicht und ist seitdem nicht nur mit Leib und Seele, sondern auch hauptberuflich Musiker und kann von seiner Musik leben.
Die Formation Ssassa besteht aus selbstständig erwerbenden MusikerInnen und TänzerInnen.
Gemeinsam treten sie bei den unterschiedlichsten Anlässen auf. Öffentliche Auftritte in Restaurants, Kulturlokalen, am Flüchtlingstag und an Festivals, aber auch an Hochzeiten, Geburtstagsfesten und an Firmenevents. Die meisten Konzerte jedoch geben sie in Schulen, wo sie ein Mitmachen-Programm anbieten mit 7 Liedern in 7 Sprachen. Sie realisieren auch ganze Projektwochen mit bis 800 Kindern!
Christian Fotsch arbeitet aber nicht nur mit der interkulturellen Band Ssassa zusammen, sondern tritt auch in sehr unterschiedlichen Musikformationen auf. Neben Ssassa tritt er auch mit der irisch- schottischen Band Ceol auf. Zusammen mit Rosetta Lopardo bietet er ein tolles Programm mit süditalienischen Liedern und Kabarett-Einlagen an. Je nach Projekt oder Konzertanlass lädt er KünstlerInnen mit einem Spezialgebiet ein. Insgesamt gab er allein im letzten Jahr an 123 Tagen 230 Konzerte mit fast 30 verschiedenen Künstlern.
Zudem hat er bislang 20 CDs und 3 DVDs produziert.
Seit 2001 veranstaltet Christian Fotsch zudem auch Festivals. Mit dem “Oriental & Flamenco Gypsy Festival” hat schon über 70 Auftritte im ausverkauften KKL, Kongresshaus Zürich, Beausobre Morges und mehr gegeben. Bei diesem Festival, zu denen er bis 30 international renommierte KünstlerInnen aus 7 Ländern einlädt, gelingt ein Zusammenspiel von Kulturen, das Grenzen sprengt.
Am liebsten singe ich Songs, die ich neu geschrieben habe. Speziell ist bei uns, dass wir vor unseren Konzerten fast nie ein Programm aufschreiben. Viel öfter beginnen wir mit einigen unserer Hits und entscheiden entsprechend den Publikumsreaktionen spontan, wie es weiter geht. Wenn wir beispielsweise ein fetziges Gypsystück im Reggae-Groove anspielen und die Leute ausgelassen tanzen, bleiben wir beim Thema. Ansonsten spielen wir nur eine kurze Version und wechseln zu einem ruhigeren Song.
Ja, wir könnten bestimmt länger als 24 Stunden spielen, ohne uns zu wiederholen. An einer Hochzeit mit einer serbischen Braut und einem italienischen Bräutigam lade ich nicht dieselben Künstler ein, wie wenn wir einen Schwerpunkt auf orientalische Musik setzen sollen oder wenn wir in einem Altersheim spielen.
Mit der Gruppe Ssassa singen wir oft in 10 verschiedenen Sprachen, wobei wir uns auch auf einen Stil konzentrieren können. Mit der Gruppe Ceol konzentrieren wir uns auf irische und schottische Musik und mit Rosetta Lopardo ist der Fokus Italien.
In der Regel bringe ich meine professionelle Ton- und Lichttechnik mit. Je nach Anzahl Publikum spielen wir völlig unplugged, halbakustisch oder für ein Publikum mit 1000 Leuten im Saal baue ich meine Kling&Freytag-Pa auf.
Tja, für diese vermutlich witzig gemeinte Frage kann ich nur antworten, dass ich erstens 1862 nicht dabei war und dass Bierbrauen nicht in meinen Kompetenzbereich fällt 😉 Zudem ziehe ich ein Glas Prosecco vor!
Wie das Beispiel von Christian Fotsch zeigt, ist es schon möglich, als Musiker seinen Weg zu gehen und von seiner Leidenschaft zu leben. Aber das Beispiel zeigt auch, dass es wirklich viel Einsatz und Geduld erfordert. Unbedingt zu empfehlen ist ein Plan B mit einer soliden Ausbildung in einem anderen Bereich, auf die man jederzeit zurückgreifen kann. Wir bedanken uns bei Christian Fotsch für den Einblick in sein Leben und auf den Weg eines Vollblut-Musikers.