Wenn zwei Menschen sich entscheiden, in Zukunft den Lebensweg gemeinsam zu beschreiten, war dies früher mit Ritualen verbunden, die wenig Raum für Individualitäten boten. Dies ist aber schon lange nicht mehr der Fall. Einzig die rechtlich wirksame Eheschliessung auf dem Standesamt ist geblieben. Wie die feierliche Zeremonie, die von vielen Menschen als die eigentliche Hochzeit empfunden wird, gestaltet wird, ist heutzutage so flexibel, dass es kaum Grenzen gibt. Neben den klassischen Hochzeiten vor einem Kirchenvertreter gibt es die Freie Trauung, bei der die ganze Zeremonie ganz persönlich auf das Hochzeitspaar ausgerichtet und von einer Traurednerin oder einem Trauredner durchgeführt wird.
Wir wollten mehr über die Möglichkeiten erfahren und haben mit Tina Murer gesprochen. Vor 30 Jahren in Altendorf SZ geboren, aufgewachsen im Aargau, wohnt sie nun seit 6 Jahren in Schaffhausen. Sie hat Unternehmensorganisation und Qualitätsmanagement studiert und ist hauptberuflich in diesem Bereich für einen Konzern in der Nähe von Zürich tätig.
Zu ihrer Tätigkeit als Traurednerin kam sie durch die eigene Hochzeitsplanung. Es war für sie nicht einfach, einen passenden Redner oder Rednerin für ihre Hochzeit zu finden. Während dieser Suche wurde ihr bewusst, wie sehr diese Tätigkeit zu ihr selbst passt, weil sie es liebt, mit Menschen zu sprechen, ihnen zuzuhören und aus den Informationen Geschichten zu verfassen. Durch ihren Hauptberuf ist sie es auch gewohnt, Menschen „abzuholen“.
Sie liess sich an der Wedding School in Heidelberg zur freien Hochzeitsrednerin ausbilden und bietet seitdem Paaren die Möglichkeit zu sehr persönlichen und individuellen freien Trauungen an. Bei ihrem Service geht es aber wirklich nur um die Zeremonie und hat nichts mit der Tätigkeit eines Hochzeitsplaners zu tun.
Ich habe selber 2016 mit der Planung meiner Hochzeit begonnen und es war für meinen Mann und mich von Anfang an klar, dass wir uns eine Freie Trauung wünschen. Damals gab es noch nicht so viele Freie Redner wie heute und ich fand niemanden, der mir auf Anhieb sympathisch war und mit dem ich diesen doch sehr aussergewöhnlichen Tag teilen wollte.
Da kam mir plötzlich der Gedanke, dass der Beruf des Freien Redners auch Etwas für mich wäre. Ich liebe es mit Menschen zu sprechen, deren Geschichte zu hören, Texte zu verfassen und vor allem auch vor Menschen zu sprechen und mit einer authentischen und sympathischen Art die Leute zu begeistern. So kam ich ursprünglich auf den Gedanken – danach besuchte ich einen Lehrgang, bei dem ich die Grundlagen erlernte und mir gezeigt wurde, auf was man alles achten muss und danach ging alles relativ schnell. Homepage aufgeschaltet und die ersten Anfragen prasselten rein. Seit der ersten Trauung weiss ich, dass es meine Leidenschaft ist und es keinen besseren und schöneren Nebenjob gibt!
Die grosse Unterscheidung findet wohl zwischen einer kirchlichen, einer standesamtlichen und einer Freien Trauung statt. Bei der kirchlichen Trauung geht es vor allem um die Liebe zwischen Gott und dem Menschen, aber das Paar an sich steht nicht persönlich und individuell im Vordergrund. Das Standesamt ist zwar logischerweise persönlich aber eher auch standardmässig und nicht auf das Brautpaar zugeschnitten. Bei der Freien Trauung steht das Paar und deren Geschichte im Vordergrund! Die Trauung ist zu 100% persönlich, authentisch und nicht nur die Rede an sich dreht sich nur um genau die beiden Personen, auch der Ablauf kann absolut frei mitbestimmt werden. Ausserdem können natürlich Ort und Zeit völlig frei gewählt werden.
Grundsätzlich ist die Freie Trauung wie der Name schon sagt völlig frei – Sprich die Utensilien variieren je nach Brautpaar. Wenn ein Paar gerne fischt, dann werden die Ringe zum Beispiel mit einer Fischerrute nach vorne gebracht. Wenn ein Paar gerne Wein trinkt, kann während der Zeremonie ein Blend gemischt werden oder auch ein Bierfass angezapft werden. Die einzelnen Teile unterscheiden sich aber nicht enorm von einer kirchlichen Hochzeit und setzen sich im Normalfall auch aus Einzug, Hochzeitsrede, Ritual, Eheversprechen, Traufrage, Ringtausch und Kuss zusammen. Das Paar bestimmt aber was in ihre Trauung soll und was nicht und auch in welchem Rahmen. Natürlich immer begleitet mit Tipps und Ideen von mir.
Hätte man mir die Frage vor zwei Jahren gestellt, hätte ich gesagt: „Absolut!“ Mittlerweile gibt es aber, wie gesagt, immer mehr Redner in der Schweiz. Das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ist aber immer noch unausgeglichen. Die Freie Trauung nahm in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung zu und es heiraten vermehrt Paare in diesem Rahmen. Alleine 2019 musste ich rund 25 Paare ablehnen, weil ich an den besagten Daten bereits ausgebucht war. Ich glaube, dass der Trend in den nächsten Jahren sogar noch steigen wird, ja und gute Redner weiterhin gesucht sind!
Was mich persönlich ausmacht ist, dass ich vielleicht nicht davon lebe und deshalb den Beruf nicht dem Geldes wegen mache, sondern weil er mich erfüllt! Ich liebe es mit den Brautpaaren zu sprechen und noch viel mehr, deren Trauung durchzuführen! Ich nehme auch nur ein Paar pro Wochenende an, damit ich mich wirklich zu 100% auf genau das Paar konzentrieren kann und die Rede mehrheitlich frei vortragen kann.
Genau das macht ein freier Trauredner oder eine freie Traurednerin möglich. Es gibt viele Gründe, nicht in einer Kirche heiraten zu wollen oder auch nicht zu können, da die Regeln dort immer noch sehr starr sind. Selbst wenn das Hochzeitspaar nur in der Situation ist, nicht der gleichen Glaubensgemeinschaft anzugehören, gibt es da schon Probleme. Aber für viele Paare ist es einfach der Wunsch nach Individualität, sich für eine freie Trauung zu entscheiden. Wir bedanken uns bei Tina Murer für dieses interessante Gespräch und den Einblick in ihre Tätigkeit als freie Traurednerin.