Jeder hat bestimmt schon einmal den Begriff TCM gehört und viele wissen wohl auch, was mit dieser Abkürzung gemeint ist. TCM steht für Traditionelle Chinesische Medizin, aber was genau ist das? Worin unterscheidet sie sich von unserer klassischen Schulmedizin? Spontan denkt man wahrscheinlich an Akupunktur. Aber TCM steht noch für viel mehr. Diese 2000 Jahre alte Heilkunst steht auf mehreren Säulen, so dass unterschiedliche Behandlungsbereiche abgedeckt werden, die aber alle im Zusammenhang stehen, denn in der TCM wird der Mensch immer als Ganzes gesehen, weshalb die TCM zum Bereich der ganzheitlichen Medizin gehört.
Um mehr darüber zu erfahren haben wir mit Reto Turnell gesprochen. Vor 49 Jahren in Chur geboren und dort aufgewachsen, beschäftigte er sich schon im Alter von 5 Jahren mit asiatischen Kampfkünsten und betreibt bis heute Kung Fu. Da die traditionelle chinesische Medizin auch in den klassischen Kampfkünsten allgegenwärtig ist, war da schon der erste Bezug gegeben.
Zuerst machte Reto Turnell aber zwei Ausbildungen im Bereich Haustechnik-Planung. Sein Interesse an der chinesischen Medizin und zur Naturheilkunde war aber so groß, dass er sich mit 21 Jahren diesem Fachgebiet zuwandte. Einen großen Teil seiner Ausbildung absolvierte er direkt in China, erlangte dort einen Master und einen Doktor in Chinesischer Medizin. Diese Ausbildung ergänzte er mit einer Ausbildung in westlicher Naturheilkunde und der Grundausbildung für die TCM in Europa. Ein grosser Teil der Naturheilkunde befasst sich auch mit westlicher Medizin. Auch wenn er das komplette Gebiet, sowohl der Klassischen chinesischen Medizin, wie auch der traditionellen chinesischen Medizin abdeckt, ist sein Steckenpferd in der TCM die Orthopädie.
Er arbeitet als Naturheilpraktiker und ist Dozent an verschiedenen TCM-Schulen. Zudem unterrichtet er chinesisches Kung Fu. Man kann sagen, dass er den klassischen chinesischen Spirit lebt. Seine Tätigkeit als Naturheilpraktiker übt er in einer Praxisgemeinschaft in der Churer Altstadt aus, die sich das BodyandMind-Praxisteam nennt. Zum Team gehören vier Therapeuten und Therapeutinnen. So können sie ein großes Spektrum der Naturheilkunde und der Alternativmedizin abdecken.
In ihrer Praxis bieten sie neben TCM auch Therapien wie Coaching, Dunkelfeldmikroskopie, diverse medizinische Massagen, Qigong, verschiedene Kräutertherapien, Schröpfen, usw. Sie versuchen für ihre Patienten immer das Beste rauszuholen. Sei dies in der Zusammenarbeit mit Ärzten oder innerhalb des Teams. Als Patienten kommen zu ihnen, sowohl Spitzensportler, wie Olympiasieger, Weltmeister, usw., wie auch Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen. Alle erhalten die gleiche Aufmerksamkeit, unabhängig vom Bekanntheitsgrad.
Chinesische Medizin hat weder was mit Zauberei noch mit Esoterik zu tun. Es ist ein Denkmodell, das sich mit dem Wirken des Menschen als Teil der Natur beschäftigt. Wir versuchen, den Menschen (Mikrokosmos) in Relation mit dem Universum/Natur (Makrokosmos) zu setzen. Solange wir diese Gesetzmässigkeiten befolgen, bleibt unser Körper im Gleichgewicht (Yin Yang) und unsere Körperenergien/Körpersäfte (Qi) im Fluss. Die Akupunktur reguliert diese Ungleichgewichte und bringt den gesamten Körper wieder in Fluss.
Die Schweiz ist in der glücklichen Lage, dass wir neben der Grundversicherung auch die Möglichkeit haben, uns alternativ versichern zu lassen. Dadurch können viele Leute sich alternative Therapien leisten. Zudem sind wir das erste Land in Europa, in dem umfassende Ausbildungen im Bereich der Alternativmedizin angeboten werden können, die vom Staat geregelt sind. Aber staatlich geregelte Ausbildungen haben auch negative Seiten. Es wird ähnlich wie in anderen Medizinberufen, mehr auf das Theoretische als auf das praktische Arbeiten wert gelegt. Die Ausbildungen sind künstlich in die Länge gezogen worden, was keine besseren Therapeuten macht.
Wie oben erwähnt, regeln die Akupunktur, wie auch die Chinesische manuelle Therapie Tuina, unsere Körpersäfte. Die Chinesische Medizin kennt keine Trennung von Körper und Geist, weil wir den Menschen als Einheit anschauen. Wir können nicht nur den Körper, oder nur den Geist behandeln, das wäre nicht im Sinn der alten Meister. Wir müssen Yin und Yang harmonisieren und dadurch den Menschen wieder in sein Gleichgewicht bringen. Man kann versuchen, die Akupunktur wissenschaftlich zu erklären, doch man wird nur jeweils Teile davon erklären können. Akupunktur als Schmerztherapie ist medizinisch erklärbar. Doch bei vielen Akupunkturpunkten kann ihre Wirkung nicht wissenschaftlich erklärt werden.
Nein, weil Altern zu unserem Leben gehört. Wie Yin zu Yang gehört, der Himmel zu Erden, der Winter zum Sommer, wie alles eine Vorder- wie Rückseite einer Medaille hat, so ist auch das Altern ein Prozess unseres Lebens unserer Energie (Qi). Klar können ein paar Nadeln ins Antlitz gestochen werden, die die Hautdurchblutung erhöhen und kurzfristig zu mehr Spannkraft führen. Doch es ist keine wirkliche Verbesserung oder Verschönerung. Zufriedene ältere Leute versprühen doch diese bestimmte Sympathie, eine Erscheinung, die lebt von der Zeichnung des Lebens, ganz im Gegensatz zu den gelifteten Fassaden, die kaum lachen und kaum Mimik zeigen können.
Die chinesische Medizin hat nichts mit Hokuspokus zu tun, sondern ist eine Behandlungsform, die auf fundiertem und umfangreichem Wissen über den menschlichen Körper und den menschlichen Geist, basiert. Sie steht auch nicht zwangsläufig gegen die westliche Medizin. Beide Formen der Medizin können allein bestehen, sich aber durchaus auch ergänzen. Das ist von Fall zu Fall verschieden. Vielen Dank an Reto Turnell für seine Zeit und den Einblick in seine Arbeit.